Die Welt AVIA

Lerne unsere Welt und unser Setting durch die Augen unserer Heldinnen und Helden kennen! Auf der folgenden Seite kannst du nachlesen, wie sie Avia, seine Bewohner, Landschaften und Mysterien im Spiel erleben.

So wirst du Stück für Stück im Laufe der Kampagne in unser Setting eintauchen und zusammen mit den Spielerinnen und Spielern die Geheimnisse dieser Welt lüften und all´ die losen Enden mehr und mehr verknüpfen können...

October 14, 2022

Erster Eintrag Bruder Klyun

Manchmal habe ich einen Traum. Ich meine, es muss ein Traum sein, denn Erinnerungen reichen doch nicht so weit zurück? Ich liege im Nest, mein Schwarm um mich herum, schnatternd, schnäbelnd.

„Er gehört der Kirche! Wie es Tradition ist!“
„Sie haben kein Recht auf mein Kücken!“
„Er passt nicht zu uns, sieh dir nur sein Gefieder an, ganz weiß!“
„Ein Zeichen Sols!“
„Er ist doch noch so jung, man wird ihn töten!“
„Der Orden kennt die Tradition, man wird ihn aufnehmen“
„Was tut der Orden denn für uns? Ausgestoßene sind wir!“
„Sols Gnade ist endlos, er wird für ihn sorgen. Und uns für unser Opfer belohnen!“

Die Stimmen verschwimmen, ich werde müde und wache erst auf, als ich ein Tuch auf meinem Kopf spüre und hektische Bewegungen, Flüstern, Tapsen. Wie Diebe in der Nacht schleichen sie mit mir durch die Straßen und legen mich ab auf den Stufen, in einem kleinen Korb.
Ich habe Schwester Brigida einmal gefragt, ob dies ein Traum, eine Erinnerung oder eine Vision Sols sei. Sie sah mich nur prüfend an und sagte, wenn ich würdig sei, würde ich dies eines Tages erfahren. Ich solle nicht in Fragen meiner Vergangenheit verharren, sondern einzig im Hier und Jetzt an meiner Fähigkeit arbeiten, Sol und dem Orden zu dienen, dann würden derlei Dinge auch unwichtig werden. Und so stähle ich weiter Körper und Geist, und halte mein Gefieder stets strahlend hell, als Gebet an den Herren und um ihm wohlzugefallen. Bis ich eines Nachts wieder denselben Traum habe.

November 10, 2022

Zweiter Eintrag Bruder Klyun

Hallo, neues Tagebuch! Ich hoffe, dir ist ein besseres Schicksal beschieden, als deinem Vorgänger. Während des Solfestes kann man für nichts garantieren, auch nicht dafür, dass ein empfindliches Büchlein nicht in ein Bierfass fällt. Jeder Schluck schmeckte nach Schuldgefühlen … und Tinte. Kaum zu glauben, dass das schon wieder mehrere Wochen her ist. Schwester Brigida ließ mich diese Verfehlung lange spüren. Nicht wegen des Festes an sich, da herrscht ein paar Tage ausgelassene Freiheit, aber ein schön gebundenes Journal ist teuer und ich musste lange dafür Sonderdienste leisten, bevor sie mir ein neues gab.

Heute aber war ich in der Schlacke am Fuß des Bergs, Bruder Lucien besuchen. Der Weg hinab war wieder wesentlich anstrengender als die letzten Wochen, jetzt, wo Sols Licht wieder ausgegeben wurde, und alles zurück ins Zwielicht versunken ist. Jetzt muss man wieder darauf achten, wo man hintritt und der lange windende Pfad den Berg hinab ist nur mehr von Lampen erhellt. Mit all den Häusern im Fels und am Abhang fühlt man sich oft wie in einer Höhle, bis sich am Fuß endlich wieder der Weg teilt. Der Kontrast zu Caelum schockiert mich jedes Mal. Bretterbuden, alle dicht aneinander gedrängt, mit viel zu vielen Bewohnern darin. Und jedes Mal spüre ich die misstrauischen Blicke auf mir, wie ein Eindringling aus einer feindseligen Welt für sie. Der letzte Angriff der Horden ist noch immer zu sehen, vieles wurde niedergebrannt, die weite ungedeckte Schlacke ist kaum zu verteidigen, die Orden legen ihre erste Linie erst knapp vor dem Bergpfad, und wer nicht rechtzeitig nach oben flieht, ist den Monstern hilflos ausgeliefert.

Ich fand Bruder Lucien inmitten von spielenden Kindern. Er hat eine Weile gebraucht, um mich zu erkennen, sein Geist scheint immer mehr von ihm zu weichen. Selbst den einzigen weißen Vogel weit und breit hat der Arme vergessen, wie es scheint. Ich gab ihm den großen Korb an Essen und Süßigkeiten, den wir im Sol-Tempel jede Woche für ihn sammeln und er begann sofort damit, es unter den Kindern zu verteilen. So eine gute Seele, ich würde ihm am liebsten jeden Tag einen Korb bringen. Am Schluss band ich ihm einen kleinen Beutel mit Dörrfleisch und Käse an den Gürtel, damit er selbst auch sicher etwas hat und machte mich nachdenklich zurück auf den Weg zum Plyon am Berggipfel, wo der Tempel liegt. Die kommenden Tage werden viel mit Meditation gefüllt sein. Schwester Brigida hat mich gefragt, ob ich bereit bin für meine Große Reise – mein Pilger-Jahr außerhalb des Tempels. Ich habe sie gefragt, ob dies wegen meiner Verfehlungen sei und sie sah mich nur wortlos strafend an. Ich fühle mich kaum bereit, Wache im Tempel zu stehen, geschweige denn hinauszuziehen und Sols Werte zu verkünden. Es fühlt sich an wie Verbannung, und das sollte es eigentlich nicht.

Ich glaube, ich werde heute Nacht nicht viel schlafen …

February 9, 2023

Dritter Eintrag Bruder Klyun

Draußen tobt der Schneesturm und ich finde endlich eine ruhige Stunde, jetzt, wo nichts zu tun bleibt, als auf das Wolfsgeheul zu achten. Der Schnee fegt über die notdürftige Zeltplane hinweg, die über unsere Schlitten gespannt ist und ich hätte nie gedacht, wie schnell ich mich jenseits von Caelum Prime wiederfinden würde, an der Seite von neuen Gefährten … doch ich greife vor.

Alles begann damit, dass ich am Morgen meine offizielle Entsendung zum „Raubritterjahr“ vorfand. Jenes Jahr, in dem die Ordensleute am Ende ihrer Ausbildung hinausgehen, um Sols Wort zu verkünden, jeder auf seine Weise, ohne an die Auflagen und Regeln des Ordens gebunden zu sein, aber auch ohne Unterstützung durch diesen. Doch diese Verabschiedung enthielt einen unterwarteten Zusatz: Bruder Jeremias bat mich, doch im Futtertrog vorbeizuschauen und nach Abgesandten des Hauses Albrecht Ausschau zu halten. Ein Spross des Souveräns hätte seltsame Anwandlungen von Gewalt gezeigt und würde das Jahr nicht wie üblich in der Schwebenden Stadt verbringen, sondern jenseits der Stadt, um Schnee auf die Sache fallen zu lassen.

So machte ich mich also auf den Weg, nicht ohne einen großzügigen Speisenkorb für Bruder Lucien mitzunehmen. Die zuerst fast leere Schenke füllte sich bald mit einer Gruppe seltsamer Gestalten, die ich allzu schnell besser kennenlernen sollte, als mir zuerst lieb war. Den jungen Lord Fabulant aus dem Haus Mordecai kannte ich bereits. Der junge Mann hat für sein Leben andere Pläne, als sein Vater für ihn auserkoren hat, sucht die Künste und das Abenteuer. An diesem Abend schien er eher eine Schneewechte gefunden zu haben, denn er wurde schlotternd von zwei Reisenden hereingebracht. Der wildniserfahrenen Gnomin Bix Bruchweide und der unerschrockenen, aber ungestümen Halborkin Valkiri ul Ulrich.

Bald gesellte sich ein mürrischer, in Felle gekleideter Jäger namens Ephraim zu ihnen und eine Menge verschwörerisches Gemauschel begann allerorten. Schließlich erreichten tatsächlich Abgesandte des Hauses Albrecht den Futtertrog. Während ich Bruder Lucien mit Essen versorgte und er mir allerlei kryptische Sätze entgegenwarf, aus denen ich nicht so recht schlau wurde, wärmten sich die vier ein wenig zerlumpt und halbseiden wirkenden Reisenden auf.
Uns sprach dann ein Barde an, ein Halbelf namens Evangelas, der uns von der edlen Jagdgesellschaft des Souveräns Enrik Albrecht berichtete, der im alten Jagdschloss der Familie im Glaswald dringend nach tatkräftiger wie auch unterhaltender Unterstützung bedurfte. Noch bevor ich meine Hilfe anbieten konnte, waren Fabulant und die anderen bereits mit von der Partie.

Ich frage mich, welche Motivation sie dazu verleitet hat, sich mitten in die schneebedeckte Wildnis aufzumachen, scheinbar nur, um ein paar gelangweilte Adelige zu bespaßen? Mit Evangelas reisten einige Krieger des Hauses Engel als Wachen, aber trotzdem schien die mehrtägige Reise zum Schloss kaum ein Spaziergang zu werden. Der Rest des Abends verschwamm in einer Mischung aus Essen und Alkohol. Lord Fabulant und der Barde übertrumpften sich in ihren Künsten, alle ließen sich von der Stimmung anstecken und wir feierten lange. Sogar Bruder Lucien wippte gelöst von allen Sorgen für eine Weile mit, bevor wir einer nach dem andern unserem Rausch zum Opfer fielen …

February 9, 2023

Vierter Eintrag Bruder Klyun

Die zum Leben erwachende Schlacke weckte auch die Feiernden am nächsten Morgen. Schnell zeigte sich, welche Zechenden über ihren Durst getrunken hatten. Das verwässerte Bier des Futtertrogs konnte mir wenig anhaben, zu oft hatte ich die Abende mit den Tempelwachen und ihrem Soldatenfusel verbracht, weil die Akolyten lieber ihresgleichen Federlosen feierten. Es schien, als hätte sich tatsächliche eine Reisegruppe versammelt. Evangelas mit seinen Wächtern Rico, Jeppa und einer bedauernswerten Seele, die alle nur Hundsfot riefen auf der einen Seite. Dann Bix, die (Eis?)Gnomin, die beeindruckende Valkiri, der Jäger Ephraim, der junge Herr Fabulant und ich als Reisende unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Motivation, die bei einigen alles andere als eindeutig wirkte. Ich hatte einen klaren Auftrag herauszufinden, was hinter den Anwandlungen des Hauses Albrecht steckte. Warum aber die Gnomin oder der Jäger sich etwas von diesem Ausflug versprachen, war mir nicht ganz klar. Was den jungen Herren Fabulant betrifft … nun, hoffen wir, dass diese Queste seinen Abenteurerdurst stillen kann und er sich wieder seinen angestammten Aufgaben widmen kann. Auch wenn ich anerkennen muss, dass seine musikalische Kunstfertigkeit am Abend zuvor den Futtertrog mitgerissen hatte.

Evangelas wiederum wirkte schon mehr wie man sich einen Barden vorstellt: zerstreut, verwirrt, komplett verloren im wirklichen Leben. Ohne seine Begleiter wäre er wohl ähnlich weit gekommen wie der junge Herr Fabulant auf seinem „Ausbruchsversuch“ aus Caelum. Wir prüften und sammelten unsere Ausrüstung. Die Gesandtschaft von Albrecht verfügte über zwei große Schlitten und genug Vorräte, um die viertägige Reise nach Schloss Tannwacht zu meistern. Bix erwies sich rasch als unverzichtbar, ihr untrügliches Gespür für Schneeuntiefen und den richtigen Weg ließ uns zwar in Schlangenlinien voranschreiten, ersparte uns aber so manche Schaufelei, um einen Schlitten wieder freizubekommen. Das stundenlange Stapfen durch das Schneegestöber strengte uns alle an, das schwere Gepäck tat sein Übriges, und immer wieder mal musste einer von uns (meist der junge Herr) für eine Zeit am Schlitten rasten.

In Summe kamen wir aber ganz gut voran – bis das Wetter schlechter wurde und der Schneesturm wieder anzog. Ab dann war jeder Schritt ein Kampf und ohne Bix’s Orientierungssinn wären wir wohl völlig herumgeirrt. Schließlich schlugen wir überhastet und nur von den Schlitten gedeckt ein Nachtlager auf. Die Zeltplane hielt notdürftig den Schnee ab, unsere Nachtwache beschränkte sich darauf, hinaus zu lauschen, ob sich in das Brausen des Sturms andere Geräusche mischten. Um die unerträgliche Düsternis, die sich auch in unseren Herzen drohte breitzumachen, abzuwehren, vertrieben wir uns die Zeit mit Gesprächen, und ich stellte überrascht fest, dass sich hinter der beeindruckenden Gestalt von Valkiri unerwartete Facetten verbargen, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte. Es gibt noch so viel, das ich über die Welt und all die Federlosen lernen muss. Ist es dasselbe, was sie uns entgegenbringen? Dieses Gefühl des Unbehagens vor dem, was man nicht kennt? Die Vorurteile, mit denen mein Volk von den anderen misstrauisch beäugt wird? Die aber auch in mir um nichts weniger stärker lauern als die Dämonen und Bestien, die ich geschworen habe zu bekämpfen …

February 23, 2023

Fünfter Eintrag Bruder Klyun

Die Nacht verlief ereignislos. Der Sturm peitschte unablässig über uns hinweg und am Morgen mussten wir uns erst aus den Schneemassen befreien. Auch der junge Herr Fabulant übernahm enthusiastisch eine Wache, seine naive Begeisterung für das entbehrungsreiche Leben hier draußen ist gleich bemerkens- wie bemitleidenswert.

Das Lager wieder auf den Schlitten verstaut, vertrauten wir uns wieder der Führung von Bix an. Mit sicherem Schritt bewegten wir uns inmitten des Sturms. Mein Respekt für all die Stämme hier draußen, die die Weiße Weite bewohnen, wuchs von Minute zu Minute. Selbst die Bewohner der Schlacke müssen solches Wetter nicht in völliger Schutzlosigkeit erdulden. Wer hier draußen nicht jeden Schritt wohlgeplant setzt und das althergebrachte Wissen über die Wildnis verinnerlicht, ist dem Untergang geweiht. Wobei jeder Clan wieder ganz eigene Geheimnisse hütet und ihre Schutzgottheiten hochhält.
Valkiri ist Mitglied des Schneeleoparden-Clans und Ephraim ließ etwas über den Elch-Clan fallen. Meine Kenntnisse über diese Religionen sind arg begrenzt, die Bibliothek im Sol-Tempel erwähnte sie nur am Rande und dabei nicht unbedingt in positivem Licht, mehr als verlorene Kinder, die das Licht Sols nicht sehen würden. Dabei hatte ich nicht den Eindruck, dass meine Begleiter Sol nicht kennen oder respektieren würden. Im Gegenteil.

Während der folgenden Stunden, der Wache und des folgenden Tags mischten sich neue Klänge in das endlose Tosen des Sturms: Wolfsgeheul. Entfernt, doch niemals wirklich verstummend. Bix erklärte uns, dass viele Rudel in der Weißen Weite jagen, doch unsere Gruppe sei zu groß, um angegriffen zu werden. Vielmehr müssten wir darauf achten, dass niemand zurückblieb, und so strafften wir den Marsch und nutzten abwechselnd auch die Schlitten, um Kraft zu tanken. Ich gebe zu, auch ich empfand den Marsch zunehmend als Belastung. Tagelange Gewaltmärsche waren nicht etwas, für das wir im Orden trainiert wurden, noch dazu mit schwerem Gepäck und voller Rüstung.

Doch Klagen oder Beschwerden sind eines Ordensbruders unwürdig, man wächst durch solche Herausforderungen und mein dichtes Federkleid war abseits der Felle ein guter Schutz gegen die Kälte. Vielmehr Beschwerden hörte man von Evangelas’ Begleitern. Die Söldner aus dem Haus Engel kommentierten viele unabänderliche Dinge mit derben Beschimpfungen. Engel-Krieger findet man an fast allen Orten der Welt, scheint es. Abordnungen bewachen viele wichtige Orte und stellen auch das Gros der Stadtverteidigung von Caelum. Kompetent, aber ungeschliffen, pflegte Bruder Jeremias zu sagen.

So begann unsere dritte Nacht in der Weißen Weite. Alles schien ruhig, und ich ging zu Bett, um für meine Wache frisch zu sein. In den aufgebauten Zelten zu rasten, war wesentlich bequemer als die erste Nacht zwischen den Schlitten eingepfercht. Doch diese Zufriedenheit machte uns unvorsichtig und mein Schlaf endete abrupt zwischen Schreien und Kampflärm …

February 23, 2023

Sechster Eintrag Bruder Klyun

Die Nacht endete mit Blut und Tod. Als die Stille uns trügerische Sicherheit vorgaukelte, hatten sie sich angeschlichen und das sprichwörtliche Rudel Wölfe fiel über uns her. Mühsam kämpfte ich mich aus dem Schlaf, während meine Kameraden um ihr Leben kämpften. Als ich endlich aus dem Zelt emporkroch, lag Rico bereits tot im Schnee – die Kehle herausgerissen. Von allen Seiten drangen sie auf uns herein und während Evangelas in etwa so kompetent agierte, wie man es erwarten konnte, zeichnete sich der junge Herr Fabulant durch Mut und Kampfgeschick aus, das ich ihm kaum zugetraut hätte.  

Die anderen erwiesen sich als die furchtlosen Kämpfer, die ihr Auftreten und Profession ihnen zuschrieb. Bix war treffsicher und tödlich mit ihrem Bogen, Ephraim führte den Speer mit weitaus mehr Geschick, als einem einfachen Jäger zustand und Valkiri mähte mit ihrer Glefe unter den Feinden wie ein unbarmherziger Sensenmann. Ein Wolf nach dem anderen fiel und auch wenn wir eine Menge unseres Bluts vergossen, so hatten wir doch kein weiteres Opfer zu beklagen. Der Kampf endete, als ein gigantischer Schreckenswolf auf einer Felsspitze erschien und scheinbar seinen Untertanen heulend befahl abzurücken.

Als uns die Stille umfing, die bald vom Schneesturm abgelöst wurde, blieb uns nichts übrig, als die schlimmsten Wunden zu versorgen und um den toten Kameraden zu trauern. Mögen die Barden sein Ableben heroischer beschreiben, als es wirklich war – beim Wasserlassen aus dem Hinterhalt niedergestreckt. Bix beunruhigte uns weiter mit ihrer Feststellung, dass dieser Kampf unerwartet und sinnlos gewesen wäre – die Wölfe wohlgenährt und wir als Gruppe wohl kaum zu bezwingen. Warum also dieses sinnlose Gemetzel? Etwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu.

Je näher wir dem verwunschenen Jagdschloss kamen, desto mehr verschwor sich scheinbar das Land gegen uns. Den toten Rico aufzubahren und ihn ehrenvoll zu bestatten, war unsere letzte Pflicht des Tages, doch nach welchem Ritus mit welcher Zeremonie? Niemand kannte den armen Mann gut genug, um das mit Sicherheit zu beantworten. So bemühten wir uns, dem Unglückseligen einen möglichst umfassenden, von allen getragenen Abschied zu geben, bevor wir seinen Leib dem Land überantworteten…

February 23, 2023

Siebenter Eintrag Bruder Klyun

Ein Mann ist tot, gestorben in der Erfüllung seiner Pflicht und man behandelt seine sterblichen Überreste wie eine Last. Ich hoffe nur, dass wenn ich dereinst hoffentlich den Heldentod sterbe, dass ich gleich am Felde verrotte, ansonsten müsste ich befürchten, dass man mich wie ein Stück Fleisch in einen Keller wirft. Vielleicht grillt man mich auch wie ein saftiges Huhn am Lagerfeuer, zutrauen würde ich es so manchen meiner Gefährten.

So diskutierten wir noch eine geraume Zeit, bevor wir den armen Rico endlich zur letzten Ruhe betteten. Ob über die richtigen Riten und, am schlimmsten, darüber, ob es ihn denn überhaupt noch kümmerte. Ich erinnerte meine Mitstreiter daran, dass unser aller Götter über uns urteilten, auch wenn es uns vielleicht unbequem erscheinen mochte. Aber letztlich fanden wir einen, so hoffe ich, würdigen und angemessenen Weg, Ricos Leib den Elementen und der Natur zu übergeben und setzten unsere Reise fort – die letzten Meilen vor dem unseligen Jagdschloss.

Der Sturm nahm wieder an Fahrt auf und unsere Reise verlief zäh, der nächtliche Kampf hatte an unseren Kräften gezehrt und wir kamen nur mühsam voran. Auch meine Kräfte erschöpften sich nun und ich begann, mehr eine Last denn ein Vorbild zu sein … Doch letztendlich, schon spät abends, rückte unser Ziel in unmittelbare Nähe. Wie so oft, erspähte Bix zuerst das Wichtigste und sah die Lichter mitten zwischen den vereisten Baumwipfeln. Alles wirkte gespenstisch, verlassen, verloren, verflucht. In der Finsternis zeichneten sich die Umrisse einer niedrigen Wehrmauer ab, die das Schloss halbherzig gegen den Wald abschirmten.

Unsere furchtlose Gnom-Anführerin Bix bedeutete uns, die Stellung zu halten und schlich voran, um die Lage auszukundschaften.Niemand an den Mauern, das eiserne Tor … sperrangelweit offen, sich im Wind wiegend, den Schnee vor sich her schiebend, bis es bei jedem Windstoß gegen einen Haufen Schnee stieß. Einen Haufen Schnee, der einmal ein Mensch war. Nun eingeschneit, steif gefroren und mit herausgerissener Kehle. Eine Wache, allein gestorben, dahingeschlachtet. Dieses Schloss ist noch verfluchter, als ich mir im schlimmsten Albtraum auszumalen wagte …

March 23, 2023

Achter Eintrag Bruder Klyun

Was sich als Rettung vor dem immer intensiver werdenden Schneesturm angebahnt hatte, nahm eine unerfreuliche Wendung zum Makabren. Die Wache, die uns am Tor hätte erwarten sollen, lag eingefroren und mit aufgerissener Kehle im Schnee, das Portal weit offen und quietschend gegen den unglückseligen Toten schabend.

Tannwacht lag offen wie ein schlafendes Beutetier, unbewacht und in der eigenen vollgefressenen Selbstzufriedenheit den Untergang nicht erwartend. Zögerlich erforschten wir den Innenhof, die Wachunterkünfte und das Haupthaus schienen durchaus bewohnt, Licht und Rauch verrieten die ausgelassene Ahnungslosigkeit darüber, welches Drama sich am Tor abgespielt haben musste.Tatsächlich waren die Wachen höchst überrascht, als einige von uns plötzlich in der guten Stube standen.

Mit Sols gerechtem Zorn schrie ich sie an, ob es ihnen denn egal sei, dass einer der ihren tot am Tor läge. Und siehe da, in die Söldner großteils aus dem Haus Engel geriet Bewegung und Bestürzung machte sich breit. Mehr noch als Trauer aber schien es Angst vor Bestrafung, stand der Getötete doch unerlaubterweise allein vom Tor, aus Bequemlichkeit und Faulheit. Der Souverän und der Wachhauptmann würden diese tödliche Fahrlässigkeit sicherlich nicht ungesühnt lassen.
Währenddessen machten sich die anderen auf in das Schloss selbst und dort trafen wir endlich wieder zusammen, als der Haushofmeister Falkmar uns willkommen hieß, uns mit der Küche vertraut machte und uns einlud, dem bereits in Gang befindlichen Abendessen beizuwohnen.
Dort waren sie auch alle versammelt, die edlen Kapazunder.

Allen voran der Souverän Enrik und seine Frau Eleonor sowie Ilva, die fast schon zur Frau gereifte Tochter. Auch das Ziel meiner Reise, der junge Stolz Samu weilte im Saal und augenblicklich wurde klar, dass der Junge von Dämonen geplagt wurde – sprichwörtlichen wie auch scheints durchaus realen. Er ließ den Blick nicht von mir und fand augenblicklich Geschmack an der Vorstellung, sich an meinem Fleisch zu delektieren – als wäre ich ordinäres Geflügel!Die anderen Gäste schienen erfreut, ihren Alltagstrott durch neue Ankommende unterbrochen zu sehen. Bodo und Waltruda aus dem Haus Walpurg gehörten zu den Höchstrangigen, ebenso wie Erengard, Isolda und Kinder aus dem Haus Engel. Wie ein absurdes Theaterstück verfolgten alle, wie Samu sich lautstark darüber beklagte, nicht seine Zähne in mich schlagen zu können.

Schließlich schickte der Souverän seine Tochter Ylva, den „Astrologen“ zu holen, einen gewissen Valtherius, der dem Jungen Linderung verschaffen könnte. Mir wären eine Reihe von Ideen gekommen, den Jungen zur Ruhe zu betten, doch keine hätte das Wohlwollen der Gastgeberfamilie gefunden – doch wer weiß, das werde ich schon noch herausfinden.

March 17, 2023

Neunter Eintrag Bruder Klyun

So ein verfluchtes Dämonengezücht! Ohne meine Rüstung hätte man das Gebiss des jungen Samu von meinem Arm entfernen müssen. Das hätte vielleicht einige der folgenden Herausforderungen erleichtert, doch zweifellos die armen Eltern noch weiter schockiert. So mussten wir mitansehen, wie der Astrologe Valtherius, eine wahrlich hinfällige Persönlichkeit, die ihren wenig vertrauenserweckenden Eindruck nur durch überdeutliches Selbstbewusstsein kaschieren sucht – oder eher verstärkt. Er gab Samu einen Trank, dieser wurde träge und schläfrig und man brachte ihn weg. Das ist das ganze Können? Das ist, wie sie den besessenen Jungen halbwegs in Zaum halten? Kein Wunder, dass man das Exil hier suchte, ohne ihn an Ketten zu legen, wäre ein Wesen wie er in Caelum eine Gefahr für Leib und Leben – mehr noch, als er es ohnedies schon war, hörte ich doch, dass er nicht nur Verletzungen, sondern sogar schon einen Todesfall zu verantworten hatte.

Der Rest des Abendessens verlief soweit ruhig, die unweigerlichen höfischen Korrespondenzen liess ich gerne aus, da ist der junge Herr Fabulant wesentlich geübter als wir anderen. Ephraim berichtete von einem besonders unerfreulichen Erlebnis, als er im Innenhof auf Valtherius traf und dieser ihn senilerweise für den Wachhauptmann hielt, nur um dann plötzlich umzuschwenken und Ephraim der Täuschung zu bezichtigen. Wie verzweifelt müssen die Eltern des jungen Samu sein, so einen … Scharlatan zu beschäftigen und ihm auch noch die Tochter als Auszubildende anzuvertrauen.

Und so suchten wir das Gespräch mit Lady Eleonor und boten unsere Hilfe an. Sie war ein wenig reserviert und bat darum, am nächsten Tag direkt mit dem Souverän zu reden. Nachdem sonst wenig zu tun blieb, schwärmte die Gruppe aus und lernte die Bediensteten und die restliche Wachmannschaft kennen. So erfuhren wir, dass man den armen Toten vom Tor recht unzeremoniös in den Vorratskeller zum „Frischhalten“ geschafft hatte. Alle wirken ein wenig gereizt, von der Situation hier im Schloss, das zur Unzeit bezogen wurde, ohne Vorbereitung, von den Desertationen von Leuten – unter anderem dem Jagdmeister Wendel – und natürlich von Samu. Doch für diesen Abend und nach der langen Reise blieb uns wenig, als unsere Zimmer zu beziehen …

March 20, 2023

Zehnter Eintrag Bruder Klyun

Irgendwann … irgendwann werden meine Knochen wieder warm, mein Gefieder wieder halbwegs trocken. Sols Licht ist sehr trüb an diesem verfluchten Ort. Unser Zimmer ist eine verlassene Turmkammer, mit einer viel zu großen, zu hochgelegenen Schießscharte, durch die der eisige Sturm unablässig hindurchpeitscht. Notdürftig hat man ein paar Decken hineingequetscht, doch nicht nur die kleine Bix könnte problemlos hindurchgleiten, wie wir noch feststellen mussten.

Wir sprachen lang über die mögliche Natur des Zustands des jungen Stolz Samu. Mir scheint eine Besessenheit am wahrscheinlichsten, ein Geist oder infernales Wesen ergreift von ihm Besitz. Die Geschichten, die wir über ihn gehört haben, nicht von den Hochwohlgeborenen wohlgemerkt, sondern von den Wachen und Bediensteten zeichnen ein düsteres Bild. Ein Mord soll geschehen sein und der Junge soll versucht haben, sich vom Schloss hinaus in die Wildnis zu entfernen. Natürlich wird das Haus Albrecht versuchen, das Leben des Erben zu schützen und auch wir werden – So Sol will – nichts tun, um ihm dauerhaften Schaden zuzufügen, doch genauso wenig darf ich ihn weiter in dieser Form wandeln lassen. Möge uns das Gebet und Sols Weisheit noch einen möglichst schonenden Weg weisen. Unser junger Herr Fabulant ist entflammt von Sol mit Hingabe an dieses Mysterium und spannte allerlei Theorien, was die Ursache sein könnte. Wie so oft, mag uns inmitten des endlosen Schwalls an konfusem Bardengelaber die Lösung angelacht haben, sie wurde aber von den anderen, nutzlosen Ausschweifungen übertönt. Die Zukunft wird es weisen.


Die Erkundungen im Schloss brachten weiteres Seltsames zutage. Einen Brunnen, der zu dieser Zeit des Solswegs natürlich versiegelt und wertlos ist – viel wichtiger aber ein Rüstungsteil, eine Armschiene, dessen Machart höchst einzigartig für Valkiris Klan ist und dessen Auftauchen sie sehr beunruhigte. Sie sprach von ihrer verschollenen Schwester und zog sofort den Schluss, dass diese hier gewesen sein musste. Ephraim und Valkiri machten sich auf zu einer Runde zu den Bediensteten und Wachen und kamen einige Zeit später mit einem verdächtigen zufriedenen Gesichtsausdruck zurück, als wären sie heilfroh gewesen, ihr vermutlich nicht-Sol-gefälliges Tun ohne meine Anwesenheit vollbringen zu können. Doch scheinbar verläuft die Spur hier im Schnee und die Wache, die das Rüstungsteil erworben hat, ist entweder tot oder hat es nur in einer nahegelegenen Ortschaft gekauft. Sie durchsuchten sogar die Leiche im Keller nochmals – ohne Erfolg. Doch fanden sie dabei ein höchst verdächtiges Fass, wie sie berichteten, hinter dem ein Luftzug eindeutig einen Weg weist. Doch bevor sie das Fass „bearbeiten“ konnten, vertrieb sie die Küchenmannschaft. Wir werden uns das morgen ansehen, denn nun begann der Teil der Nacht, der mich Sol näherbrachte als alle Schlachten um Caelum.


Valkiri schrie auf in der Nacht – zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich in meiner Wache eingenickt war nach fast zwei Nächten ohne jeden Schlaf. Sie sah umher, sichtlich in einem Alptraum gefangen, außer sich vor Entsetzen, immer wieder Venya rufend, ihre Schwester und irgendetwas mit Augen, die sie – wer auch immer – nicht bekommen dürften . Sie stürmte hinaus, in den Hof, in Richtung Tor, um von außen herum zur Mauer auf der anderen Seite des Schlosses zu gelangen – mitten im Sturm. Ephraim und Fabulant wiederum schienen mehr an der nunmehr plötzlich offenen Schießscharte zu gelangen. Ich folgte Valkiri, die im Begriff schien, etwas Unkluges zu tun, noch im Schlaf, Halbschlaf oder in der Emotion für ihre Schwester – einerlei warum. Wir liefen hinaus, kaum genug gekleidet für den Innenraum, noch viel weniger für den tosenden Schnee. Die Wachen wollten uns nicht hinauslassen, doch Valkiri drohte ihnen, was sie veranlasste, das Tor zu öffnen, mit dem Hinweis es nicht wieder für uns aufzumachen, sobald wir draußen wären. Elendes Söldnerpack …
Weit kamen wir nicht, schon wenige Meter nach dem Tor erlahmte unser Schritt und die unbarmherzige Kälte türmte uns zu einem schneebedeckten Haufen Elend, der zweifellos erfroren wäre, wenn nicht Bix unsere erbärmlichen, eingefrorenen Leiber in Sicherheit gezerrt hätte.


Und so sitzen wir wieder in der Küche, die steifen Glieder langsam mit heißer Milch aufwärmend, den verwirrten, urteilenden Blick der Köchin erduldend und auf die unweigerliche Standpauke wartend, die der Wachhauptmann für uns parat haben wird. Schöne Helden sind wir, besser darin, uns selbst in der Weißen Wüste umzubringen, als die Probleme der Leidenden zu lösen. Doch egal, was und wer uns morgen erwarten wird, zuerst heißt es endlich den rettenden erlösenden Schlaf …

May 1, 2023

Elfter Eintrag Bruder Klyun

Der folgende Morgen brachte zumindest die Möglichkeit, das Erlebte zu verarbeiten und zu besprechen, bevor man uns vonseiten des Souveräns unweigerlich für verrückt und nutzlos erklären würde und hinauswerfen ließ. Valkiri berichtete von ihrem Traum – ihre Schwester Venya war ihr erschienen, mit schwarzen Löchern, wo Augen sein sollten, und beschwor Valkiri, dass sie ihr helfen müsste, sie nicht zulassen dürfte, dass man sie bekäme und dass sie auf jeden Fall ihre Augen nicht verlieren dürfte. Was man wohl sonst eher einer zu vollen Mahlzeit zuschreiben würde, erhielt durch die Berichte der anderen mehr Gewicht. Fabulant, Bix und Ephraim hatten einen humanoiden Schatten im Fenster gesehen und waren deshalb durch die Schießscharte nach draußen geklettert. Ephraim landete im Schnee vor dem Schloss und stieß auf einen leibhaftigen Winterwolf, eine Bestie von legendärer Macht, die zu ihm sprach, doch dazu später mehr. Somit war der Traum und unser Beinahe-Tod weit mehr als Zufälle – mehr ein Angriff der sinistren Mächte, die hier am Werk sind.


Bald darauf klopfte es an der Tür, doch nicht die erwartete Standpauke des Souveräns oder Schlimmeres begehrte Einlass, nein, Herold, der Hauptmann der Wache, erschien in unserem Zimmer und schüttelte nur kurz den Kopf ob des Geschehenen. Nach einer kurzen Erklärung unsererseits wischte er die Sache aber beiseite und erzählte, dass es auch aus seiner Sicht im Schloss nicht mit rechten Dingen zuginge. Diese ganze überhastete Anreise ließ keine Zeit, Vorräte zu beschaffen und die Stimmung wäre gereizt bis mysteriös. Den Zustand von Stolz Samu beschrieb er als besorgniserregend und er bestätigte, dass dieser bereits versucht hätte, zu fliehen. Herold beschwor uns, der Sache auf den Grund zu gehen und es war ihm nicht entgangen, dass wir den Keller durchsucht hatten. Somit versprach er uns, dass die Küchen-Mannschaft die kommenden Tage nicht in der Küche schlafen würde, uns somit nichts mehr davon abhielt, das vermaledeite Fass endlich zu öffnen.


Doch vor dieser Expedition stand die längst überfällige Unterredung mit dem Souverän. Lord Enrik sagte uns jegliche Unterstützung zu, seinem Sohn zu helfen. Ephraim erzählte ihm von einer Begegnung, die er letzte Nacht gehabt hatte, während Valkiri und ich vor der Mauer zu Schneewechten erstarrten. Er sah einen kolossalen Wolf, einen Winterwolf, der in seinen Gedanken zu ihm sprach und ihm mitteilte, dass er „das Jagdgebiet des Meisters hier anerkennt“. Was auch immer das bedeuten mag. Einige sagten, dass sich dies auf Enrik beziehen würde, ich bin mir da nicht so sicher, der Meister könnte ebenso gut die infernale Macht sein, die Einfluss auf Samu ausübt. In jedem Fall gab der Souverän seine Einwilligung, das Thema nach der morgigen Jagd vor versammelter Menge vorzutragen. Der junge Herr Fabulant hätte dies lieber sofort getan, doch Lord Enrik bestand darauf, erst die Jagd durchzuführen, da das Schloss dringen Vorräte benötigte.

Irgendwann erschien Bix plötzlich in Begleitung eines kapitalen Luchses, eines offensichtlich erfahrenen und älteren Tieres mit zahlreichen Spuren gewonnener Kämpfe und einem glasigen Auge. Sie erklärte uns, dies sei nun ihr Gefährte und wir – aus einem im Nachhinein immer noch nicht nachvollziehbaren Grund – nickten einfach nur anerkennend und nahmen dies hin, als sei es das Normalste auf der Welt. Das Tier scheint intelligenter zu sein, als eine gewöhnliche Bestie, aber ich bleibe trotzdem vorerst skeptisch. Eine Horde Wölfe, angeführt von Verschlagenheit und Intelligenz ist unser Feind, aber eine um nichts weniger gefährlichere Großkatze sollen wir nun in unserer Mitte dulden? Bei Sol, ich muss noch viel lernen – Herr, schenke mir bitte vor allem Gleichmut und Geduld!


Für Expedition in den Keller galt es Werkzeuge und Ausrüstung wie Laternen zu sammeln, somit zogen Valkiri und Ephraim los, um diese zu suchen. Bix und ich beschlossen, das Zimmer des jungen Samu zu besichtigen, wenn dieser nicht vor Ort war. Es wirkte seltsam … unbenützt, seine Spielsachen verstaut und kaum berührt, so als wenn er hier lediglich schlafen, aber sonst wenig anderes tun würde. Einzig das Fenster brachte neue Fragen – wir fanden Krallenspuren auf der Außenseite der Fensterläden. Große Krallenspuren, wie von einem übermenschlichen Raubtier. Hatte dies etwas mit dem Ausbruchsversuch zu tun? Wollte ihm jemand dabei helfen … oder besser gesagt irgendetwas?


Der junge Herr Fabulant berichtete im Anschluss daran von einem Gespräch mit dem Lord Bodo Walpurg, der ganz ungeduldig auf die Jagd wartete, seine riesige Armbrust schien geradezu nach Blut zu lechzen … oder er, das schien nicht ganz klar. Ephraim und Valkiri kamen ebenfalls zurück, mit diversen Gegenständen, die sie von Gulo, dem halborkischen Stallmeister erhalten hatten. Ebenfalls, aus mir unbekannter Quelle, hatten sie mehr über die Armschiene des Schneeleopardenclans erfahren. Valkiri war überzeugt, dass sie ihrer verschwundenen Schwester gehörte. Anscheinend war sie über eine Wache hierher gelangt, die diese in der nächsten Ortschaft Thelfheim erworben hatte. Warum ihre Schwester dort gewesen sein könnte, wusste Valkiri nicht. Wir können aktuell hier nichts in dieser Sache erreichen und müssen uns um die anstehende Queste kümmern. Der Keller harrt seiner Entzauberung und ich kann es kaum erwarten! Endlich gibt es etwas zu tun und mit Laterne, Schild und Schwert als Werkzeuge der Tat fühle ich mich wesentlich wohler als mit dieser Gesellschaft an halbseidenen Gestalten in diesem Schloss der Geheimnisse, von denen jede nur die Hälfte sagt und selbst diese Antworten mehr Rätsel aufgeben als sie beantworten …

July 30, 2023

Zwölfter und letzter Eintrag Bruder Klyun

Und so stiegen wir hinab in das unbekannte Gewölbe, der Gang verlief eine Weile geradeaus, nur unterbrochen von einem seltsamen Halbkreis aus … Salz? Ein Schutzkreis schien es nicht zu sein, eine arkane oder klerikale Bedeutung erschloss sich uns nicht. Wir würden erst eine Weile später erfahren, wozu dieser diente, und hätten uns viele Schmerzen erspart …

Kurz danach öffnete sich der Gang in mehrere Abzweigungen, eine nach rechts, eine nach links und eine direkt weiterführende, die jedoch vor einer massiven, blockierten Türe endete. So teilten wir uns auf und jene mit Nachtsicht zogen nach rechts, Ephraim und ich erkundeten den linken Gang. Das Mauerwerk des Ganges hinter den Stiegen bis zur Salzbarriere war alt und verwittert, vergessen von der Zeit scheinbar. Doch hier waren die Steine glatt und sauber, wie poliert. Schritt für Schritt tasteten wir uns voran, bis plötzlich Kampflärm vor uns erklang. Die beiden Gänge machten Biegungen und trafen sich am anderen Ende der Türe wieder. Valkiri war gefangen in einer schlecht sichtbaren Gallertmasse, zusammen mit einem Skelett eines früheren Opfers, das sie scheinbar attackieren wollte, nur um in die schleimige, alles zersetzende Falle zu geraten. Mit heiligem Zorn schlug ich schwere Breschen in die Masse, Ephraim neben mir ebenfalls mit Nahkampf-Finesse, die man einem Jäger kaum zugetraut hätte … 

Fabulant verletzte sich schwer beim Versuch, Valkiri zu befreien, doch letztlich gelang es uns, den seltsamen Gallertwürfel zu zerschlagen und er zerlief in harmlose Schlacke. Auch ein plötzlich von hinten angreifender riesiger Hundertfüßer mit bösartigen Mandibeln wurde von Bix und ihrem Luchs mit tödlicher Eleganz erledigt. Mir ihrer und meiner begrenzten Heilmacht versorgten wir die schlimmsten Wunden und widmeten uns dann den Überresten des früheren Opfers. Wir fanden ein metallenes Abzeichen, das Ephraim erstarren ließ, und Bix reichte ihm einen Brief, den sie in einem Lederbeutel gefunden hatte und seine Miene wurde noch finsterer. Er fragte, ob sie ihn gelesen hätte, und sie bejahte. Fast schien es, als ob er einen Moment lang abwägte, zur Waffe zu greifen, doch mit einem Seufzen las er den Text sodann vor.

Der Tote war Wendel, der Jagdmeister, nicht geflohen, sondern vermutlich heimtückisch ermordet. Mit jeder Zeile, die Ephraims Mund verließ, offenbarten sich neue Facetten dieser seltsamen Verschwörung rund um das Haus Albrecht. Wendel war wie Ephraim einst Mitglied des Hauses Engel, Soldaten in den Diensten der Souveränsfamilie Albrecht. Doch eines Nachts gab es einen Anschlag, ausgeführt von gedungenen Mördern, ebenfalls Engel-Krieger, Verräter am eigenen Soldherren. Ephraim rettete die älteste Tochter des Hauses vor den Häschern und verbarg sie in der Weißen Weite, beim Stamm (durchgestrichen und geschwärzt), damit keine Attentäter sie erreichen konnten. Dort erreichte sie das Erwachsenenalter und das wäre ein Skandal … nein eine Erschütterung der gesamten Ordnung. Die Erbfolge, die alle zu kennen glaubten, ist falsch. Doch welche Rolle spielten der Souverän und seine Frau hier? Ephraim beschwor uns, dieses Geheimnis zu bewahren, doch das ändert alles. Sämtliche Motivationen der Beteiligten könnten anders sein, als wir bisher dachten. Was wussten unsere Gastgeber von jener Nacht vor so vielen Jahren? Wer hat Wendel ermordet und den Gallertwürfel hier platziert und die Salzbarriere regelmäßig erneuert? Eine neue Riege an Verdächtigen entstand mit jedem Satz. 

Die weitere Erkundung der Gewölbe brachte nicht viel zutage. Eine Krypta, vermutlich lange vergessen, in der die Altvorderen von Albrecht bestattet lagen, mit einer Öffnung in der Decke, durch die früher wohl die Toten herabgelassen wurden. Wir kehrten zurück, um zu rasten und die nächsten Schritte zu planen, denn bald stand eine Jagd an und uns schwante Übles …

Lange saßen wir noch und versuchten die Mysterien zu ergründen, doch ständig tauchten neue Fragen auf, die einer Antwort harrten. Der Tag brach an und man rief zur Jagd. Entgegen unseren Warnungen wollten die Adeligen nicht auf die Jagd verzichten. Fabulant und ich beschlossen, im Schloss zu bleiben und weiter nach Antworten zu suchen. Die anderen würden die Jagdgesellschaft begleiten, in der Hoffnung vielleicht das Schlimmste zu verhindern. Vor allem Bodo mit seiner riesigen Armbrust und dem Wolfsfell über den Schultern wirkte, als würde er das Unglück geradezu herbeibeschwören mit seiner Gier zu töten.

Fabulant beschloss, Ilva zu suchen, um mehr über Valtherius herauszufinden. Leider stellte sich heraus, dass sie gerade bei ebendiesem weilte. So klopften wir an den Turm und wurden von einem dämonischen Wesen empfangen, seinem … Vertrauten? Schon hatte ich die Hand am Schwertgriff, doch Fabulant beschwor mich, den Besuch nicht zu einem Blutbad werden zu lassen. Wir fanden Ilva und Valtherius im Labor oben im Turm und kamen ins Gespräch. Bald darauf verließen Fabulant und Ilva die Szene und ich fand mich plötzlich in der Assistentenrolle des alten Tattergreises wieder, der definitiv eine Rolle zu spielen schien und keineswegs halb so senil war, wie er vorgab. Dennoch war ich mir nicht sicher, auf welcher Seite er hier stand, am wahrscheinlichsten auf seiner eigenen. Ich riet ihm, von weiteren Dämonenbeschwörungen abzusehen und sah dann nach Stolz Samu, als Fabulant mir reichlich zerwuselt auf dem Gang entgegenkam … war das sein "mehr herausfinden"? Barden!

Samu war unnatürlich ruhig, spielte gar mit einem Stofftier und murmelte etwas von "einem schönen Tag", was ausreichte, augenblicklich Panik in mir aufkeimen zu lassen. Tatsächlich, nur Momente später ertönten Schreie aus dem Hof und Tod und Verderben brachen über Tannwacht herein. 

(nachträglich hinzugefügt:)

Bix, Valkiri und Ephraim hatten die Jagd begleitet, berichteten sie später. Spuren führten sie zusammen mit dem Souverän abseits der großen Gruppe, als alles still wurde und das allgegenwärtige Getrommel der Treiber verstummte. Sie eilten zum Schauplatz und fanden Blut und Kadaver, aber keine Leichen, nur Spuren von fortgezerrten Leibern. Einzig Hundsfot hatte sich auf einen Baum geflüchtet und berichtete von einer Horde riesiger Wölfe, die die Gruppe angefallen hätten. Und genau diese Horde war bereit auf dem Weg zum Schloss. Der Souverän eilte mit Bodo zu Pferd voraus und die drei hinterher. 

Wir versuchten die Tür zum Schloss zu verriegeln und ich eilte nach oben in den Saal, um die Souveränin zu schützen. Sie saß zusammen mit Bodos Gattin Gertruda und Evangelas, als ich eintraf. Da lachte dieser nur und begann sich in einen grotesken Mannwolf zu verwandeln. Die kryptischen Worte von Bruder Lucien am Abend vor unserem Aufbruch klangen wie Glocken in meinem Geist wieder: "Vergiss auf keinen Fall das Besteck!" Mein Blick wanderte über die kostbaren Silbergabeln und Messer und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. So griff ich statt zu meinem Schwert zu einem Silbermesser. Evangelas erwies sich aber als mächtiger Feind, der lieber mit mir spielte, als ernsthaft zu kämpfen. Sein Ziel schien weniger ich zu sein, als die Frauen … Gertruda. Er rief Worte der Wut, gemischt der Trauer über seine dahingeschlachtete Gefährtin, die jetzt als Trophäe über Bodos Schulter hing. Gertrudas Tod sollte dies sühnen. Doch auch Ilva erschien nun mit Fabulant. Der Wolfwer und die Tochter des Hauses Albrecht waren sich wesentlich näher, als wir gedacht hatten. Etwas lief scheinbar nicht nach ihrem Plan, doch Evangelas wollte nur noch Rache. Vergiftet hatten sie den armen Stolz Samu, um ihn als Erben unbrauchbar zu machen, und sogar die Souveränin selbst war zumindest in Teile des Plans eingeweiht, unterstützte ihre Brut dabei, ihr eigen Fleisch und Blut zu schänden … wie dereinst, so nun wieder, schien es. Alles war klar und doch in Nebel gehüllt. Warum? Was war passiert? Fabulants Diplomatie kitzelte viele Informationen aus den siegessicheren Unholden heraus, doch viel zu vieles blieb im Dunklen. Für mich war nur klar, ich musste Gerechtigkeit walten lassen. Also zog ich mein Schwert, um Ilva zu bestrafen. Der Hieb traf massiv, doch sie war ebenfalls bereits vom monströsen Blut durchzogen und streifte ihre menschliche Form ab, nicht ohne süffisant von Kratzern an Fabulants Rücken zu berichten, die sie dort hinterlassen hatte! BARDEN!

Der Kampf entbrannte allerorten. Im Saal, in den Hallen des Schlosses und im Hof, überall kämpften wir und die Besatzung des Schlosses um ihr Leben gegen die Horden von Wölfen, den Schreckenswolf und die Werwesen selbst. Das war also der Meister der Domäne, den der Winterwolf erwähnte. Nicht der Souverän Enrik, sondern Evangelas. Einmal mehr überraschte mich Fabulant, der lüsterne Barde, mit seinem Ideenreichtum im Kampf und zusammen konnten wir uns der beiden Unholde erwehren, und Fabulant vertrieb Evangelas gar mit einem seiner Zauber, so dass dieser durch das Fenster sprang. Unser Versuch, Ilva niederzumachen, wurde durch die mangelnde Eignung der Silbermesser als echte Waffen erschwert. Schließlich erschien der Schreckenswolf in der Halle, doch zum Glück auch Valkiri, die die horrende Bestie im Alleingang erschlug. Ilva sah sprichwörtlich ihre Felle davonschwimmen und sprang ebenfalls in den Schneesturm hinaus, bevor wir ihr verbrecherisches Leben beenden konnten. Gerade als ich den finalen Hieb setzen wollte, sprang die Souveränin dazwischen, fleht um das Leben ihrer Tochter, und ohne sie zu verletzen, konnte ich meine Aufgabe nicht beenden. So mussten wir mitansehen, wie eine, wenn nicht die Haupttäterin, davonkam. 

Als Evangelas wieder durch den Haupteingang erschien, in Begleitung von einer weiteren Unzahl Wölfen, schien unser Schicksal besiegelt. Bodo und die Kämpfer im Hof waren ihm wohl bereits zum Opfer gefallen und so wollten Valkiri und ich zumindest noch so viele Wölfe mitnehmen, wie wir konnten. Ich warf mich Evangelas entgegen, doch Fabulant hatte andere Pläne. Erneut ließ er seine Wortkünste sprechen und überzeugte uns irgendwie davon, dass weiteres Blutvergießen sinnlos war. Evangelas war aus irgendeinem Grund immer noch von einer Art seltsamen Respekt für uns erfüllt und ließ ab von uns, als ich Valkiri aus ihrer Rage riss. Er schritt nach oben und beendete sein Werk. Ob ich für mein Versagen, die Adeligen vor dem Monster zu schützen und stattdessen das Leben meiner Gefährten zu bewahren, jemals Sols Vergebung finden mag, muss die Gottheit entscheiden. Unser Tod hätte die Pläne Ilvas nur weiter zum Erfolg werden lassen, ohne Zeugen, die von ihrem Verrat berichten. Valtherius hatte sich davonteleportiert, sein Turm war leer, als wir ihn öffneten. Seine Rolle in dieser Geschichte bleibt im Dunklen, doch hätte er wenig Grund gehabt, zu fliehen, wenn er Teil der Verschwörer ist. Bix und Ephraim hatten ebenfalls wacker gekämpft, Ephraim lag fast tödlich verwundet durch Evangelas darnieder. Einziger Überlebender von Tannwacht war die gebrochene Souveränin, die Tochter, Sohn und Ehemann und damit auch ihren Geist verloren hatte. Sie verblieb in einem katatonischen Zustand und befindet sich vorläufig in unserer Obhut. Von vielen der anderen fehlt jede Spur, sie wurden vermutlich getötet und verschleppt, um als Mahl für die Wölfe zu dienen. 

Wir verließen das Schloss Tannwacht als Grabstätte und zogen in Richtung Thelfheim, wo wir Spuren von Valkiris Schwester Venya zu finden hoffen und von wo aus wir weitere Schritte planen können. 

Werte Schwester Brigida, werter Bruder Jeremias, ich hoffe euch erreichen diese Seiten intakt. Sie geben die Ereignisse in und um Tannwacht aus meiner Sicht korrekt wieder, auch wenn viele Fragen offen bleiben. Ich hoffe, ich kann die Souveränin in der Obhut der lokalen Solskirche lassen, um mich wieder auf die Jagd nach der Verräterin Ilva zu machen. Mir ist bewusst, dass meine künftigen Taten mich in den Gegensatz zum Orden stellen könnten, aus der Sicht vieler selbst zum Verbrecher machen werden. Doch im Raubritterjahr, so spracht ihr mit eigenem Mund, gilt meine einzige Rechenschaft Sol selbst und dieser mag über mich richten. Es gibt viel Übles, das nicht offen zutage tritt, sondern dunkle Intrigen im Verborgenen spinnt. Dieses soll durch mein Schwert und meinen Zorn ausgetilgt werden. Unrecht zu sühnen ist die intrinsische Aufgabe eines Sols-Dieners und diese gedenke ich auszuführen. Möge Sol über Euch wachen, meine Gebete sind mit Euch. Ich erwarte keine Hilfe und keine Unterstützung, auch kein Wohlwollen. Meine einzige Bitte: Sorgt weiter für Bruder Lucien und sagt ihm, ich habe das Besteck nicht vergessen!